
Liebe Jacinta, dein neues Hörbuch »Single Mom Supper Club« lebt von den schlagfertigen, sehr bildlich gezeichneten Protagonistinnen. Wie entwickelst du deine Figuren?
Ich finde Menschen so interessant, besonders absurde Menschen, glaube ich. Ich liebe Heuchlerinnen, denn ich bin selbst eine Heuchlerin, ich verstehe sie total, obwohl ich es eigentlich hasse, wenn andere Menschen heuchlerisch sind. Und bei »Single Mom Supper Club« wollte ich über Betrügerinnen und Influencerinnen und Heuchlerinnen und vor allem über Cocaine Moms schreiben. Eigentlich ist das ganze Buch von Klaus Kastberger inspiriert, weil er beim Bachmannpreis gefragt hat: »Koksen Mütter überhaupt?« Und ich wollte die Frage beantworten.
Hast du eine Lieblingsprotagonistin und falls ja, warum magst du sie so gerne?
Ich wollte Antje so hassen. Ich habe sie geschaffen, um sie zu hassen. Aber sie ist so super geworden: so lustig, so fehlerhaft, so süß, ich habe mich in sie total verliebt. Ich liebe sie jetzt, und ich hasse sie dafür.
In »Single Mom Supper Club« spielt Humor eine große Rolle. Was denkst du, was macht den Reiz des »britischen Humors“ aus?
Ich weiß gar nicht, ob die Witze im Buch sehr britisch sind. Aber ich denke, dass es beim britischen Humor oft darum geht, sich selbst zu degradieren, und das mag ich sehr, denn ich bin ein bisschen devot, denke ich. Ich denke, beim deutschen Humor geht es oft darum, sich lustig zu machen über schwächere Menschen, das mag ich nicht so sehr. Aber ich muss sagen, ich finde viele deutsche Menschen trotzdem sehr lustig.
Geschichten zu erzählen, die das Publikum unterhalten, ist dein Spezialgebiet, du warst Mitglied der legendären Berliner-Lesebühne »Die Surfpoeten«. Denkst du, dass es so etwas gibt wie »deutschen Humor«?
Ja, ich war dabei bei den letzten Tagen der Surfpoeten, das war wie Hitlers Bunker bei uns. Ich weiß nicht, ob die Surfpoeten deutschen Humor haben, ich denke sie haben einen sehr spezifischen berlinerischen Humor, vielleicht sogar einen ostberlinerischen? Ich weiß nicht… ich finde es gibt einen verbitterten, sarkastischen, resignierten Ton, der sehr lesebühnemäßig ist. Man vertraut niemanden, hat Angst vor neuen Entwicklungen und versteht nicht, was die Kassiererin von einem will. Eigentlich denke ich, dass die lustigsten Deutschen vielleicht ältere Ostberliner Frauen sein könnten, die über alles skeptisch sind. Mein Kollege Felix Jentsch hat einmal eine Geschichte vorgelesen, in der seine Mama die Liebesgeschichte in Dirty Dancing als Ferienromanze abwertet, ich denke einmal pro Woche an diesen Text. Jetzt bin ich bei der neuen Generation der Lesebühne dabei: Parallelgesellschaft in Neukölln und Neuköllner Brett, natürlich auch in Neukölln. Da bin ich eine der Ältesten und manchmal fühle ich mich wie eine alte, verbitterte Ossi-Frau, die nichts von der neuen Generation versteht, wenn meine jüngere Kolleg:innen über skibidy toilet oder Dubai Schokolade sprechen. Manchmal fühle ich mich auch wie Bastian Sick, wenn sie so viel Englisch reden. (Oh, und à propos Bastian Sick: mein alter Lesebühne-Kollege, der Surfpoet Tube, der immer noch bei LSD dabei ist, schreibt immer so lustige Mathe-Geschichten und ich denke, wenn er ein lustiges Buch über Nummern schreiben würde, könnte er Millionär werden. Er soll mir was abgeben, wenn das passiert.)
Danke, liebe Jacinta!