
Lieber Leif, dein neues Hörbuch heißt »Let’s Talk About Feelings« und das nicht ohne Grund – was für Gefühle begleiten die Protagonist:innen deines Hörbuchs?
Trauer, Trotz, Ohnmacht, Euphorie, Melancholie, Enttäuschung und Verliebtheit. Die Geschichte beginnt mit einer Beerdigung. Ein lähmender, aber auch feierlicher Anlass an einem heißen Junitag am Wannsee, verbunden mit einer Art Party. Generell gibt es viele Feste in diesem Roman, auch wenn es nicht zwingend viel zu feiern gibt. »Let’s Talk About Feelings« erzählt vom ersten Jahr nach dem Tod der großen Carolina Flanders. Ihr Sohn Marian tastet sich in eine neue Lebensphase hinein.
Die Handlung deines Romans spielt sich an unterschiedlichen Schauplätzen ab: Rügen, Wolfsburg, Japan, Indien, Teneriffa, aber hauptsächlich Berlin. Warum ausgerechnet die Orte?
Berlin ist seit vielen Jahren Marians Zuhause. Er ist mit seiner Mutter dorthin gezogen, als er sechzehn war, mittlerweile ist er einundvierzig. Japan und Teneriffa repräsentieren für ihn vor allem die Welt seines Vaters Milo Coen. Milo hat früher die ARD-Tagesthemen moderiert, ist seit den Neunzigern ein fast peinlich leidenschaftlicher Japan-Fan und besitzt eine Ferienwohnung auf Teneriffa. Im Kontrast dazu stehen Wolfsburg und Neu-Delhi für einen Aufbruch ins Unbekannte. Rügen wiederum ist mit den verwunschenen Pandemiejahren verknüpft, mit Ferien in Deutschland … All diese Orte, die ich im Roman verwendet habe, sind für mich mit positiven Erinnerungen verknüpft, sogar Wolfsburg. Und nachdem meine früheren Bücher »Schimmernder Dunst über CobyCounty« und »Planet Magnon« vorwiegend von Bildern Kaliforniens geprägt waren, sind es nun verstärkt Eindrücke aus Asien. Auch Marians Boutique ist nach einem Ort in Taiwan benannt — dem Kenting Beach.
Dein Roman »Allegro Pastell« wurde dafür gefeiert, ein Gefühl der ganzen Generation der 30-Jährigen gekonnt zum Ausdruck gebracht zu haben. In deinem neuen Roman haben wir es mit einem »Coming-of-Middleage« zu tun. Was ist genau darunter zu verstehen?
Die Autorin Tanja Arnheim denkt an einer Stelle in »Allegro Pastell«, dass es sich bei der Zeit zwischen 35 und 75 um »die verlorenen vierzig Jahre« handelt. Aus ihrer Sicht gibt es nur zwei Arten von Erzählung darüber — »die Fleißerzählung von Verantwortung, Familie und Karriere« auf der einen sowie »Geschichten von Dekadenz und Einsamkeit« auf der anderen Seite. »Let’s Talk About Feelings« ist mein erster Text über diese Lebensphase. Teile des Publikums werden den Roman sicher als dekadent empfinden. Mich hat er für die kommenden Jahre motiviert.
Deinen Roman »Allegro Pastell« hast du selbst eingelesen, auch »Let’s Talk About Feelings« erscheint als Autorenlesung. Was war das für eine Erfahrung, sich so lange und intensiv mit den eigenen Texten im Aufnahmestudio zu beschäftigen?
Die Tage im Studio sind fast sportlich anstrengend, aber auf eine gute Weise. Die eigenen, langen Sätze werden zu Hindernissen. Wahrscheinlich hatte ich während der Aufnahme ähnliche Gefühle wie sie Gamer beim Gamen haben. Wenn man top konzentriert und zugleich entspannt bleibt, kommt man gut durchs Spiel. Anfangs wollte ich fast aufgeben, war auch noch etwas erkältet, was geschulte Hörer:innen vielleicht bemerken. Ich dachte, dass ich in Zukunft lieber Profi-Sprecher:innen einweisen möchte als selbst zu lesen. Gegen Ende hatte ich dann so viel Spaß, dass ich mich schon auf die nächsten Hörbuchaufnahmen gefreut habe.
Danke, Leif!