nachgefragt bei Frank Arnold, dem Sprecher von »Abschied(e)« von Julian Barnes
Lieber Herr Arnold, in »Abschied(e)« befasst sich Julian Barnes ausgiebig mit seiner eigenen Sterblichkeit. Nachdem er die Diagnose Blutkrebs erhält, beschreibt er die Erkrankung als »unheilbar, aber beherrschbar«. Würden Sie den Text als pessimistisch bezeichnen? Kann man in ihm trotzdem ein wenig Trost und Hoffnung finden?
Natürlich ist der Text, der sich mit einer schweren Krankheit beschäftigt, nicht fröhlich, aber er ist von großer Gelassenheit und Weisheit, daher ist er nicht wirklich bedrückend. Es geht um große Fragen des Lebens: die eigene Sterblichkeit, die Frage danach, was bleibt vom Leben und auch von der Literatur, die Frage danach, was Freundschaft sein kann – und auch wo deren Grenzen liegen, aber vor allem ist es eine Introspektion eines Autors, der viele Bücher geschrieben hat und mit ihnen in Kontakt zu seinen Lesern und Hörern getreten ist. Voller Respekt vor den Menschen, ihren Sehnsüchten und Unzulänglichkeiten, aber auch ihre Möglichkeiten zu einem erfüllten Leben zu gelangen. Und auch das ewige Rätsel des Lebens an sich und die Frage, warum wir alle sterben müssen, ist Gegenstand des Nachdenkens von Julian Barnes. Und es ist ein weiser, sehr freundlicher, zugewandter Abschied von uns Lesern bzw. Hörern, der nichts Selbstgefälliges hat, dafür aber von großer Zuneigung zu den Menschen an sich zeugt.
Sie haben für uns bereits einige Bücher von Julian Barnes eingelesen und sind ein großer Verehrer seiner Texte. Wofür schätzen Sie ihn besonders und welches Hörbuch würden Sie jemandem empfehlen, der Julian Barnes noch gar nicht kennt?
Julian Barnes ist ein vielseitiger Autor, der über ein weites Spektrum von Themen geschrieben hat: Romane, kulturgeschichtliche Bücher, Kunstkritik, über das Kochen, auch journalistische Texte, vor allem über sein Sehnsuchtsland Frankreich. Aber auch Krimis – unter einem Pseudonym – oder auch einen köstlichen Roman über retrospektive Eifersucht! Dabei immer klug, stilsicher, gewandt und elegant, oft wunderbar humoristisch. Und vor allem auf der suche nach Wahrheit: des Lebens und der Literatur. Vielleicht ist das Buch »Die einzige Geschichte« ein guter Tip für die Tiefe einer Barnes Geschichten und »Der Mann im roten Rock« ist ein schönes Beispiel für fein aufgeklärtes kulturgeschichtliches Schreiben. Und dann natürlich das Buch über Schostakowitsch – »Der Lärm der Zeit« – in dem es um die Spannung zwischen Kunst und Macht geht, mit allen Verwerfungen, die das mit sich bringt. Man hört die Musik des russischen Komponisten anders nach dem Anhören oder der Lektüre dieses Buches.
Als versierter Sprecher und Träger des Deutschen Hörbuchpreises haben Sie für uns ganz unterschiedliche Texte eingelesen, von Krimis bis hin zu Sachbüchern. Julian Barnes’ Schreiben ist wiederum der anspruchsvollen Belletristik zuzuordnen. Erfordert das Einsprechen solcher Texte eine andere Art Vorbereitung?
Für mich müssen ALLE Texte, die ich aufnehme, gut vorbereitet werden, durchdrungen vom Versuch zu verstehen, Fragen zu klären von Dingen, die man nicht weiß etc. und dann gilt es für JEDEN Text eine – hoffentlich – ihm entsprechende Haltung zu finden. Natürlich hat man als Vorlesender auch Vorlieben. Aber jedes Buch verdient einen eigenen Ton – je nach Genre, Inhalt und Stil. Allerdings empfinde ich die Aufgabe, die Bücher von Julian Barnes vorzulesen, als besondere Herausforderung, Verpflichtung – auch Ehre – da ich mich diesem Autor auch sehr nah verwandt fühle. Ich hatte ein paar mal Gelegenheit, mit ihm Lesungen zu machen und dabei hat sich meine Hochachtung vor ihm nur noch gesteigert. Ein wirklicher Schriftsteller, der uns viel zu sagen hat und unser Leben bereichert.
Vielen Dank!