22 Jahre parlando – das letzte Programm

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22 Jahre haben Waltraut und Christian Brückner in ihrem parlando Verlag viele, viele Hörbücher herausgebracht – Titel, von denen sie wollten, dass die Welt sie hört; Titel, die ihnen am Herzen lagen und solche, um die man einfach nicht herumkommen konnte. Erst vor 2 Jahren haben wir das 20-jährige Jubiläum mit ihnen gefeiert, nun müssen wir leider bekannt geben, dass parlando kein weiteres Programm machen wird.

Es soll dennoch kein trauriges Ende sein, sondern eines, das die beiden voller Stolz zurückblicken lässt auf 200 Hörbuchproduktionen, unzählige Preise, Auszeichnungen und überschwängliche Kritiken – die hoffentlich nicht abbrechen, denn: Live wird Christian Brückner selbstverständlich nach wie vor auftreten und auch einzelnen Produktionen weiterhin seine unverwechselbare Stimme leihen, ganz ohne Publikum geht es nicht. Im Interview mit Argons Presse-Leitung Maria Nowotnick erzählen Waltraut und Christian Brückner von den Höhepunkten der letzten 22 Jahre, von Lieblingsbüchern sowie den Gründen ihres parlando-Abschieds und warum wir trotzdem in Zukunft von ihnen hören werden. Das komplette Interview finden Sie hier.

Aus dem Interview mit Waltraut und Christian Brückner

Ihr habt euch entschieden, Schluss zu machen – warum?

Waltraut Brückner: Der Verkauf unserer Hörbücher geht wie gesagt zurück, viele von unseren Titeln sind nicht mehr lieferbar, aus den unterschiedlichsten Gründen. Und da spielt das Streamen sicher auch eine Rolle. Niemand will z. B. Paul Celan im Stream hören oder herunterladen, ohne die Informationen, die das haptische Hörbuch liefert. Und das spornt nicht gerade an, weiterzumachen. Wir haben nach wie vor einen Hörerkreis und bekommen immer wieder begeisterte und ermutigende E-Mails von den Fans unseres Verlags, aber es lohnt sich nicht für Christian, in seinem Alter, diese enorme Anstrengung der Vorbereitung und der anschließenden Arbeit im Studio für einen doch eher kleinen Hörerkreis fortzusetzen.
Christian Brückner: Der größte Happen ist die Vorbereitung, nicht das Studio – bis es zum Studiotermin kommt, stecke ich viel Arbeit in die Vorbereitung. Das ist Teil meiner Arbeit, das muss ich auch machen. Das Stumme war immer das Meiste, und die Intensität meiner Vorbereitungen ist über all die Jahre gleichgeblieben. Ich bereite jeden Titel gleich stark vor, aber Sachhörbücher sind besonders anstrengend, weil dort kurz vor der Aufnahme immer noch viele Korrekturen reinkommen. Deswegen habe ich damit irgendwann aufgehört.
Klassiker hingegen sind meins, von vornherein – da bin ich souverän. Da kann mir keiner sagen, lieber Herr Brückner, es tut mir leid, wir müssen noch was ändern …, nein: Da bin ich fertig, gehe ins Studio und nehme auf.

Gibt es einen Titel, an den ihr euch bis heute nicht herangetraut habt?

CB: NEIN! Es gibt Titel, an denen wir schwer laboriert haben, ja, da haben wir wiederholt und wiederholt, aber nicht herangetraut: nein.
WB: Herantrauen müssen wir uns an die beiden neuen Bücher von Cormac McCarthy. Der Passagier und Stella Maris. Sie bilden den Abschluss unserer Arbeit für parlando. Zwei Bücher über ein hochbegabtes Geschwisterpaar, das aus unterschiedlichen Gründen seine Studien – Mathematik und Physik – abbricht, über Wissenschaft und Wahnsinn, über Schuld und Sühne und nicht zuletzt über die verbotene Liebe der beiden zueinander. Ich hoffe, wir werden diesen herausragenden – fordernden Büchern McCarthys gerecht.
Du hast dir also schon beim Lesen eines Textes immer die Hörsituation vorgestellt, Waltraut?
WB: Klar, genau darum ging es: Ist das auch für einen Hörer interessant und nicht nur für mich. Natürlich hat unser literarischer Geschmack das Programm bestimmt, aber wir wollten natürlich auch, dass es gehört und angenommen wird. Und ich finde es schon interessant, dass einige unserer Autoren dann später den Nobelpreis bekommen haben – damit war vor unserer Entscheidung für das jeweilige Buch nicht zu rechnen.

(…)

Was habt ihr nun vor?

CB: Wir werden beide nicht tatenlos in unsere Sessel fallen, sondern wir werden etwas finden, das wir machen möchten – auch nicht unter der Prämisse, das muss für uns beide sein, sondern es kann auch sein, dass jeder seins macht, aber wir werden, ist ja klar, in irgendeiner Form weitermachen, weil wir bisher so unter Dampf waren, dass der Dampf erst langsam rausgeht …
WB: Für deine öffentlichen Auftritte, mit Musik oder ohne, wirst du jetzt mehr Zeit haben. Das ist doch klar. Ich weiß noch nicht, wie es bei mir weitergeht. Erst einmal hole ich tief Luft! Die gemeinsamen Aufnahmen im Studio werden mir fehlen. Aber das Lesen hört ja damit nicht auf.
CB: Vielleicht machen wir auch Edel-Hörbücher – wer weiß, denn manche Sachen verdienen das. Fest steht: Wir machen weiter, wir fangen wieder an – denn nur zusammen sind wir stark, und das war auch immer so!

Das komplette Interview zum Weiterlesen finden Sie hier.

Der krönende Abschluss mit Cormac McCarthy

Natürlich beenden Waltraut und Christian Brückner ihre Verlagstätigkeit nicht mit irgendeinem letzten Programm – 16 Jahre nach dem Bestseller Die Straße bringt Cormac McCarthy gleich zwei neue Romane heraus. Der Passagier und Stella Maris, inhaltlich miteinander verbunden, handeln sie von der Geschichte des Geschwisterpaares Bobby und Alicia Western und spielen im Abstand von acht Jahren. Das schriftstellerische und philosophische Vermächtnis eines der größten lebenden amerikanischen Autoren: der krönende Abschluss des parlando-Programms.

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Cormac McCarthy Der Passagier gelesen von Christian Brückner

Sechzehn Jahre nach seinem Weltbestseller Die Straße kehrt Pulitzer-Preisträger Cormac McCarthy zurück mit dem ersten Teil seines zweibändigen Meisterwerks. Der Passagier und Stella Maris: Zwei Romane ohne Vorbild. Die Wahrheit des einen negiert die des anderen.

1980, Pass Christian, Mississippi: Bobby Western, Bergungstaucher mit Tiefenangst, stürzt sich ins dunkle Meer und taucht hinab zu einer abgestürzten Jet Star. Im Wrack findet er neun in ihren Sitzen festgeschnallte Leichen. Es fehlen: der Flugschreiber und der zehnte Passagier. Bald mehren sich die Zeichen, dass Western in etwas Größeres geraten ist. Er wird von skrupellosen Männern mit Dienstausweisen verfolgt und heimgesucht von der Erinnerung an seinen Vater, der an der Erfindung der Atombombe beteiligt war, und von der Trauer um seine Schwester, seiner großen Liebe und seinem größten Verderben.
Der Passagier führt – von den geschwätzigen Kneipen New Orleans‘ über die sumpfigen Bayous und die Einsamkeit Idahos bis zu einer verlassenen Ölplattform vor der Küste Floridas – quer durch die mythischen Räume der USA. Ein atemberaubendes Hörbuch über Moral und Wissenschaft, das Erbe von Schuld und den Wahnsinn, der das menschliche Bewusstsein ausmacht.

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Cormac McCarthy Stella Maris gelesen von Christian Brückner

Sechzehn Jahre nach seinem Weltbestseller Die Straße kehrt Pulitzer-Preisträger Cormac McCarthy zurück mit seinem zweibändigen Meisterwerk. Der Passagier und Stella Maris: Zwei Romane ohne Vorbild. Die Wahrheit des einen negiert die des anderen.

1972, Black River Falls, Wisconsin: Alicia Western, zwanzig Jahre alt, lässt sich mit vierzigtausend Dollar in einer Plastiktüte und einem manifesten Todeswunsch in die Psychiatrie einweisen. Die Diagnose der genialen jungen Mathematikerin und virtuosen Violinistin: paranoide Schizophrenie. Über ihren Bruder Bobby spricht sie nicht. Stattdessen denkt sie über Wahnsinn nach, über das menschliche Beharren auf einer gemeinsamen Welterfahrung, über ihre Kindheit, in der ihre Großmutter um sie fürchtete – oder sie fürchtete? Alicias Denken kreist um die Schnittstellen zwischen Physik, Philosophie, Kunst, um das Wesen der Sprache. Und sie ringt mit ihren selbstgerufenen Geistern, grotesken Chimären, die nur sie sehen und hören kann. Die Protokolle der Gespräche mit ihrem Psychiater zeigen ein Genie, das an der Unüberwindbarkeit der Erkenntnisgrenzen wahnsinnig wird, weder im Reich des Spirituellen noch in einer unmöglichen Liebe Erlösung findet und unsere Vorstellungen von Gott, Wahrheit und Existenz radikal infrage stellt.

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Stimmen zum parlando-Abschied

»Christian Brückner hat die lit.COLOGNE von Beginn an mit seiner Stimme be-reichert. Er hat nicht nur vielen fremdsprachigen Autoren eine prägnante und immer eigene Stimme gegeben, sondern auch durch besondere Veranstaltungen mit Literatur und Musik beide Welten vereinen können.«
Rainer Osnowski, Geschäftsführer der lit.COLOGNE

»Wenn Christian Brückner ein Buch von mir liest, wird es mir so fremd, dass ich schließlich denke: Ja, genau so ist es in Wirklichkeit. Wie wenn man sich selbst von außen sieht. Was für ein Geschenk.«
Navid Kermani, Schriftsteller

»Parlando – dieses melodische Wort hat für die Freunde des literarischen Hörbuchs noch einmal einen besonders guten Klang gehabt. Während viele Hörbuchverlage mit dem Boom des Hör-Mediums immer mehr auf Masse statt Klasse setzten, blieb das Label von Waltraut und Christian Brückner eine verlässliche Insel der Qualität. Hand- verlesene Texte und Klassiker, die den beiden eine Herzenssache waren und gerade deshalb zum Ohrenschmaus wurden. Allerdings nie gefällig. Dafür sorgten die Stimme und die Interpretationen von Christian Brückner, lässig und scheinbar mit allen Abgründen der Welt vertraut, wie ein Jazzmusiker, der improvisieren kann, weil er alle seine Tricks und Licks souverän beherrscht.«
Wolfgang Schneider, FAZ

Waltraut Brückner ist eine leuchtende Erscheinung, eine wagemutige, begeisterungsfähige Frau mit großem literarischen Gespür und dem nie nachlassenden Willen, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Ich bewundere sie sehr.«
Heike Schmidtke, Verlagsleitung Argon Verlag